An Haff und auf Nehrung

Die Kurische Nehrung ist wie Trakai auch so ein must-have-seen in Litauen. Auf unserer Tour in 2018 wegen Trockenheit in ganz Europa – außer in Litauen – erstmal ausgelassen, möchten wir diese Ecke diesmal mitnehmen. Auf dem Weg von Kaunas zum Kurischen Haff und Nemunas-Delta steht aber erstmal solitäre Backsteingotik in der Abendsonne am Ufer der Nemunas, die Kirche von Zapyškis. Das dazugehörige Dorf ist schon lange vor den Nemunis-Fluten geflüchtet, bei der Kirche hat man das Reparieren nie aufgegeben. In Rennrad-Feierabendrunden-Entfernung zu Kaunas tummeln sich um das neu gemachte Umfeld der Kirche (Kaffeeautomat, Klos, 100m lange Backsteinsitzbank) Radler, Läufer, Kinder und Hunde lüftende Familien, grillende Angler – und wir zum Abendpicknick, bevor wir uns freistehend im Flussnebel zur Nachtruhe begeben.

Wir nähern uns an über die “Festlandsseite” des Haffs, Kleinlitauen. Auf der Nemunas-Delta-Insel Rusnė versuchen wir der Faszination für das Museumshaus in Rumšiškes nachzuspüren. Auf Rusnė, flach und groß wie Pellworm, sehen nicht alle Häuser museumsschön aus. Störche, Schilf mit Schilfrohrsänger, Kühe und Kuhfladen auf Motorhaube, Outdoor-Melkstände wie zu meiner Kindheit, kein Strand.

Der schlickige und vereinsamte Kite-Spot an der Haff-Ostseite gibt uns den Rest – von der Nehrung leuchten die Sanddünen verlockend herüber. Zwei Tage haben wir den Nationalpark Nemunas-Delta brav gewürdigt, erwandert und beguckt. Bei 30 Grad brauchen wir jetzt echtes Meer!

Nach einem Mittsommer-am-Strand-Abstecher nach Pape in Lettland gehts für 3 Tage auf DIE Nehrung. Die Kurische Nehrung ist mehr als bester Badestrand. 50 shades of sand: nach der Eiszeit waren es (stark vereinfacht) Endmoränen-Inseln, die von einer nordgehenden Strömung sand-sedimentierend verbunden wurden. Ehemals Misch-bewaldet kamen im 15.-18. Jhd holzlüsterne Schweden und andere Invasoren und nahmen der dünnen Humusschicht den Wald und den Halt. Die Dünen wanderten Richtung Haff – ohne Rücksicht auf Dörfer und Siedlungen. Erst zu Beginn des 19. Jhd. begann man das Küstenschutz-Konzept eines Wittenberger Uni-Rektors umzusetzen: Vordünen an der Westseite mit Dünengras festhalten, die Wanderdünen mit Kiefern etc. aufforsten. Das hat so gut geklappt, dass man nun die restlichen (weißen) Wanderdünen versucht zu erhalten: der Sandnachschub von Westen fehlt, die Dünengipfel verlieren an Höhe. Die „toten“, grauen Dünen sind jetzt Ende Juni eher rosa-lila. Um Nida und nördlich Pervalka kommt kalfjäll-feeling a la Urho-Kekkonen-NP auf – mit Strandwetter.

Ortsbegehungen auf der Kurischen Nehrung: Die Nehrung erinnert nicht nur landschaftlich an Sylt. Schon auf der Fähre ein hoher Anteil an Dicke-Hose-Autos. Wenn Nida wie Westerland ist (Menschen, Souvenirs, Promenade), sind Preila und Pervalka wie Morsum und Keitum? Und hinter X7, Q8, XC60, Ram und Macan finden wir auch klischee-hübsche Häuschen mit Kurenwimpeln und snickarglädje (was man mit einer Stichsäge und ein paar Forstnerbohrern so lustiges anstellen kann).

Ob Thomas Mann in der Hütte über seinem Erdkeller auch eine Sauna hatte? Die moderne Kirche in Nida hat uns beeindruckt (ein Gotteshaus uns!): hell, freundlich, klar, einladend. Der verglaste Turm sticht aus dem Ort wie eine Bake, die den Seeleuten Orientierung gibt. Der Kirchenraum lässt sich öffnen zum Amphitheater-Vorplatz: die bodentiefen Fenster sind Hörmann-Rolltore! Stilvolle Anwendung!

Nix los bis Kaliningrad

Fazit zur Nehrung: Wie Sylt? Viel entspannter und ruhiger, mehr einsame Strandkilometer, spürbarer Nationalpark: ein Zivilisations-urlaubsziel zum Wiederkommen! Dank Kiel – Klaipėda fast vor unserer Haustür.

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