An der Südküste Siziliens finden wir Strand und Archäologie. Wir lassen Siracusa / Syrakus aus, wollen wir doch die Regenfront möglichst fix tunneln, und fahren durch das erstaunlich lieblich-hügelich-grüne Hinterland. Darauf waren wir nicht vorbereitet, denn außer der Stadt Enna legt uns unser Reiseführer (Michael-Müller-Verlag kaufen wir nicht wieder!) hier nichts ans Herz, es gibt weit und breit keine Camping-/Stellplätze oder Agricampeggio oder markierte Wandergebiete – sonst hätten wir hier innegehalten. Hier ist Tourismus nicht vorgesehen, aber uns gefällt diese unaufgeregte Toskana-ähnliche Landschaft.



Nahe Agrigento hat in San Leone noch ein Campingplatz und zwei Gelaterie auf, ansonsten ist der Badeort in Wassernähe voller hocheingezäunter Ferienhäuser eher Besserverdienender (dicke Autos, kleine Hunde, nicht begehbare Gehwege) ziemlich trostlos. Unten im Ort kein Lebensmittelladen, aber zwei Tierärzte (für die kleinen Hunde) und Schicki-Micki-Bars, in denen sich die Bessergekleideten ihre Markenhöschen auf den Plexiglasstühlen plattsitzen – gut sichtbar durch Panoramafenster in steriler Neonbeleuchtung. Immerhin: unser südlichster Punkt (dieser Reise und bis jetzt überhaupt) ist ein Eis mit Sonnenuntergang auf dem Lungomare.
Die Tempel von Agrigento, die zum Teil in Einzelteilen rumliegen(*) und zum anderen Teil (vor allem in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts = Nationalromantik / Guldalder auch hier) zusammengepuzzelt und mit Hilfe von Ersatzteilen wieder aufgestellt wurden, liegen auf einem 2km langen Felsrücken nahe am Meer. (*)oder Dank Nachnutzung als Gotteshaus für diverse Nach-Götter erhalten blieben und lediglich von ihrer christlichen Einbauten befreit werden mussten



Der Archäologie-Park von Agrigento ist ein gutes Beispiel von schlechter Museumspädagogik und chaotischer Besucherlenkung kombiniert mit einem überhaupt nicht abgestimmten Konzept und aneinander-vorbei-Organisation: mit sehr viel Personal (ohne hilfreiche Ahnung, aber Hauptsache man hat Security und Klowärter) und verschiedensten Infotafeln (kaum aufeinander abgestimmt) hat man sich hier überlegt, den Besucher orientierungslos zu machen (Besucherlenkung wohin?). Das Gelände ist ein gleichseitiges Dreieck mit 2km Seitenlänge. Der südliche Schenkel ist der Höhenzug mit den Tempeln aufgereiht. An beiden Enden ein Eingang. So weit so logisch (diese alten Griechen mit ihrer Hochkultur!). An der nördlichen Ecke des Dreiecks befindet sich die alte Stadt mit Resten vieler Wohnhäuser. Direkt daneben das Indoor-Museum – an sich eine gute Idee. Nur: der Eingang in der Nordecke ist geschlossen! (Und man kommt auch nicht sinnvoll über den Zaun.) Will man also das Gelände mit dem Museum kombinieren, muss man 2km an einer Straße (natürlich ohne Fußweg!) entlanglaufen (oder über den Zaun klettern? Achtung: Kameras!). Das verwerfen wir und freuen uns lieber darüber, dass außer uns niemand nach diesem wunderbaren Spaziergang durch grüne Olivenhaine die tollen Mosaiken im nördlichen Wohnhaus-Bereich gefunden hat. Wie auch: es brauchte schon etwas Entdeckermut, um in diesen Bereich des Parks vorzudringen, denn fehlerhafte und widersprüchliche Karten und Lagepläne runden das Bild ab. Und die Lage der Bushaltestelle: in der Mitte der südlichen Dreiecksseite, erreichbar über 1km Fußmarsch entlang der Straße, ohne Fußweg natürlich. Fazit: sehr beeindruckende Überreste von Hochkulturen in aussichtsreicher Lage von vielen EU-geförderten Museumsköchen zu einem undefinierbaren Brei zerkocht.



Ericlea Minoa hat Strand, Steilküste und einen kleinen Archäologie-Park in bester Lage. Vom Parkplatz des Parks (erhalten ist wohl ein kleines teatro, das den Autos auf dem Parkplatz nach zu urteilen viele Menschen beschäftigt) gehen wir zwei Runden: erst nach SW über eine Landzunge / Capo (drumherum wäre mit ein paar Schwimmzügen möglich) mit Schafen und Panoramico. Dann nach SO durch den trostlos verlassenen Badeort an den Strand, durch den Pinienküstenwald, an Lost-Place-Strandbars vorbei und über der Küste (Ferienhäuser, Oliven, Schafe) zurück. Abschließend Sonneruntergang am Capo. Bewacht von 2 Security-Menschen und taghell ausgeleuchtet übernachten wir hier besonders sicher – und mit Meerblick.












In Selinunte haben sich die alten Griechen wieder einen wunderbaren Ort zum Siedeln ausgesucht – in begehrter Lage, denn nach ihnen kamen noch die Byzantiner, Normannen, Katharger, Römer, Araber, … Nicht nur die Lage, sondern auch die Aufmachung dieses Archäologie-Parks hat uns am meisten Spaß gemacht. Hier verstehen wir endlich, was die U-förmigen Aussparungen an den Steinblöcken sollen (Agrigento hatte die Frage aufgeworfen, aber nicht beantwortet): die Dinger hätte man sonst nicht kranen können. Und auch sonst wird uns hier anschaulich gezeigt, wie die alten Griechen diese unhandlichen Steinblöcke zu riesigen Tempeln aufzutürmen geschafft haben. Zwei Tempel sind wieder aufgebaut (mit dem was man gefunden hat und einigen Ersatzteilen), der Rest liegt (als Bausatz) noch herum. Kombiniert mit anschaulichen Infotafeln und nachgebauten „Baumaschinen“ ergibt sich hier ein schlüssiges Bild. Leider schließt der Park schon mit Sonnenuntergang (typisch Italien wäre jetzt 19:30 gewesen) – hier hätten wir uns länger vergnügen können.






Dafür hätten wir unsere Vormittagswanderung glatt weglassen können: ein eher öder Küstenstreifen (ein Vorschlag des Rother Wanderführers) mit EU-gefördertem Infotainment im Verfall (Projekte verselbstständigen sich halt nicht immer). Aber Meerblick-Stellplatz!



