Wir wollen wandern – auch in Kalabrien. Der Rother Wanderführer verspricht uns tolle Wege in den Bergen Kalabriens: der Pollino NP, die Sila, Serre und Aspromonte. Aber auch in Süditalien gilt leider: pro 100 Höhenmeter büßt man 1 Grad der altweibersommerlichen Temperatur ein. Von den 20 Grad am Strand wären in 1500 Metern über dem Meer nicht viel übrig. Außerdem lieben wir Küstenwanderungen – oder zumindest den Blick aufs Meer. Am Meer jedoch liegen die “neuen” Teile der Ortschaften, verläuft die Küstenstraße, ist die Ebene nicht nur von Orangen- und Olivenbäumen geprägt, sondern auch von kalabresischer Zivilisation, und zwar vor allem ihren Schattenseiten. So ist das kalabresische November-Wandern nicht frei von Herausforderungen, auf halber Höhe zwischen Strand und Gipfeln werden wir aber fündig.
Typisch Italien soll sein, dass Wanderwege schlecht bis gar nicht markiert sind und nach einer Vegetationsperiode zugewachsen sind. Wir stellen fest, dass es hier oft zu viele (widersprüchliche) Markierungen gibt. Im Dorf stehen dann drei Infotafeln drei verschiedener Urheber (z.B. dem CAI, dem NP und eines lokalen Wandervereins) mit drei verschiedenen Nummerierungen: unklare Zuständigkeiten. In Kalabrien werden wir leider nicht von einer tollen CAI-Wanderkarte verwöhnt, aber die tschechische Wander-App mapy.cz hilft uns, aus den vorhandenen Informationen eine gute Route zu basteln und auf dem Rother zu improvisieren.

Cerchiara di Calabria liegt am SO-Hang des Pollino NP. Wir wandern aussichtsreich und sonnig am Hang entlang auf alten Pflasterwegen (CAI 946) zur Santuario Santa Maria delle Armi (schickes Gemäuer) und „verzichten“ auf die Überschreitung des Monte: keine Lust auf „Hochnebel“. Die Rückwegvariante ist dann auch fast gar nicht zugewuchert und neben den Kuhfladen auch kaum rutschig. Der Blick über die Sibaritide vermittelt uns ein gutes „Raumgefühl“ für die Gegend der nächsten Tage. Den Tag runden wir ab mit einem local-food-Einkauf im Dorfladen von Cerchiara: Dorfpasta, Dorfwein, Dorf-Sauerteigbrot.



In der Annahme, in einem Nationalparkzentrum in Italien könnten wir gute Tipps kriegen oder zumindest eine Wanderkarte erwerben, kurbeln wir uns nach Cupone in den Sila NP hoch: tolle Landschaft! Wir merken, dass wir auch in diesem Punkt von Finnland und dem metsähallitus verwöhnt wurden. Der freundliche Mitarbeiter hier oben informiert uns, dass wir vielleicht eine Karte unten in der Stadt kaufen könnten. Hier könnten wir jetzt den Weg 2 (3km) oder den Weg 5 (9 km) wandern – siehe Infotafel. Enttäuscht vertreten wir uns die Beine und versuchen dem geologischen Park etwas didaktischen Wert abzuringen. Ist eh zu kalt hier oben. Dann halt weiterhin mit mapy.cz. (Ich liebe Papierkarten!)



Pietrapaola liegt in der Sila Greca, der Nord- bis Ostflanke der Sila. Ein hübschen Dorf mit Hausberg in der Mitte. Wir sind spät dran und vereinfachen den Rother-Vorschlag: eine Runde über die Wind-und-Wasser-erosionsgeformten Hügel oberhalb. Das weiche Gestein eignet sich hervorragend für Höhlen, die als Viehunterstände dienen. Nachdem wir den Höhenzug über dem Dorf überwunden haben, können wir bis in die Höhen der Sila und des Pollino NP gucken. Das macht Lust auf mehr, aber…






Ab Campara an der Ostseite der Sila versuchen wir einer Talwanderung aus dem Rother zu folgen. Ab der halbverlassenen Altstadt wandern wir sonnig(en Mutes) los und werden aufgehalten vom abgerutschten Treppenweg ins Tal. Die Erosion, die hier die Landschaft formt, verschafft uns also eine vorgezogene Mittagspause. Sonne, Aussicht, local food: so darf das auch sein.



Auf dem (Bulli-)Weg nach unten zur Küste finden wir eine Wander-Runde nach oben über ein paar 800er mit Blick in alle Richtungen: Meer, Sila, Pollino – letzterer seit neuestem mit Schnee.



Das Naturreservat Valle Colli an der Südseite der Sila verlangt in der Anfahrt derartig viel Autogekurve (viel Wald, viel Hang, viel Tal, viele Serpentinen), dass wir hier nur zwei kurze Runden schaffen, bevor es wieder viel zu früh dunkel wird (Frechheit, dieser Winter!). Zwei tiefe Täler mit fallendem Wasser, die herbstliche Waldfeuchte fühlt sich wie deutsches Mittelgebirge an.



Tiriolo nennt sich das Dorf mit dem doppelten Meerblick. Auf dem südlichen Ende des Apennins (wenn man das Aspromonte nicht mitrechnet) und “auf” dem Isthmus von Kalabrien würdigen wir diese besondere Lage mit dem Aufstieg zum Monte Tiriolo und etwas Gratwanderung bis Gratkraxelei. Tatsache: das ionische und tyrrhenische Meer liegen zu unseren Füßen. Wäre das Schietwetter südlich von uns nicht, könnte man angeblich bis zum Ätna gucken. Den sehen wir erst viel später…






Als wir schon auf dem Weg nach Sizilien sind, macht das Schietwetter eine Pause und lässt uns an der Küste über Palmi mit Blick auf die Straße von Messina (der Ätna wolkenverhangen) und Stromboli wandeln. Wir lieben Küstenwanderungen – wenn man vor dem Regen wieder im Bulli sitzt: geschafft!



